Thursday 21. September 2017

Energie-Kolonialismus statt Selbstversorgung: Entwicklungszusammenarbeit geht anders

Eine britisch dominierte Firma pervertiert Bölkows Erbe Ludwig Bölkow hatte einmal eine tolle Idee: Eine Solare Wasserstoffwirtschaft sollte die Sonnenenergie in den Wüsten Nordafrikas für alle Menschen verfügbar machen. Mit Solarmodulen großflächig Strom erzeugen; der spaltet in Elektrolyseuren Wasser in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) auf; der Energieträger wird in Speicher gefüllt und dann wieder per Brennstoffzelle in Strom und Wärme umgewandelt, wann und wo er gerade gebraucht wird. Das war die Idee.

Der Hintergedanke: Damit wäre den Menschen in armen Ländern geholfen. Denn sie bekämen selbst Energie zum Leben, kostengünstig aus der Wüste geholt. Und auch die reichen Länder hätten etwas davon: Was an H2 in Afrika nicht gebraucht wird, kommt per Tankschiff oder über bestehende Pipelines nach Europa oder Nordamerika, wird dort verkauft und jeweils bei Bedarf genutzt. Und den Afrikanern würde ein gutes Auskommen gesichert.

So weit, so gut. Bis der Multi-Erfinder Ludwig Bölkow kurz vor seinem Tod seine Idee widerrief, die Wüste mit Solarkraftwerken zu füllen. Doch das bekamen nicht mehr alle mit. Und so hielt sich die Mär vom Energiegewinn in der Wüste. Zu Beginn dieses Jahrtausends holten einige Großkonzerne – vor allem Europäer – Bölkows Idee aus der Versenkung und schwärmten von „Desertec“: Im Wüstengürtel der Erde sollten Solarmodule viel Strom produzieren. Den leiten riesige Stromtrassen gen Norden in die reichen Länder. Und weil sie ja alles bezahlt haben, nützen die Investoren fast den ganzen Strom auch selber. Eine neue Art von Kolonialherrschaft sollte so entstehen, Energiekolonialismus hätte man diese Form des Umgangs mit armen Ländern nennen können.

Doch nach und nach zogen sich die Konzerne aus dem „Desertec“-Konsortium zurück. Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Und aus Angst, die politische Situation in einigen Ländern könnte sich gegen diese negative Entwicklungshilfe wenden. Soziale Einsicht war jedenfalls nicht der Rückzugsgrund.

Dennoch, kaum zu glauben: TuNur, eine britisch-maltesisch-tunesische Firma, deren Eigner sich bisher u.a. mit Gas- und Öl-Transporten beschäftigten, hat das Wüstenstromprojekt abermals aus dem Sand gegraben. 4.500 Megawatt Strom soll das „Solar-Export-Projekt“ über drei Hochspannungs-Gleichstromkabeltrassen von Tunesien nach Mitteleuropa leiten.

www.nurenergie.com/tunur/index.php/news/118/66/TuNur-files-for-authorisation-for-4-5-GW-solar-export-project

Die Anträge an die tunesische Regierung sollen bereits gestellt sein, ist zu lesen. Und – wie uneigennützig! –: Man wolle „den wachsenden europäischen Markt für CO2-freie Elektrizität befriedigen“. So ist es auf der Webseite des Konsortiums zu lesen. Außerdem – und das klingt fast schon wie ein Geschenk: Wenn die tunesische Regierung es wolle, bekäme sie die Chance („at the option“), einen Teil des Stroms für lokalen und nationalen Verbrauch abzuzapfen.

Doch im Endeffekt würde Tunesien damit die Europäer mit Energie versorgen „wie bisher auch bereits“, begründet die von Briten dominierte Firma ihren Plan weiter. Man könnte es auch anders ausdrücken: Der Energiekolonialismus, mit dem die reichen Staaten des Nordens schon bisher die so genannten Entwicklungsländer im Sonnengürtel ausbeuten, soll in die Zukunft fortgeschrieben werden. Nur wäre der Energierohstoff nicht mehr Öl oder Gas, sondern Sonnenstrom.

Dabei spricht grundsätzlich vieles für Wüstenstromprojekte. Wenn auch nicht konzentriert an einem Ort, sondern weit verteilt.

Zuerst sollten diese Kraftwerke dezentral die Versorgung einzelner Landstriche übernehmen, indem sie für bisher stromlose Gebiete die Elektrizität bereitstellen. So wäre den Menschen vor Ort am besten geholfen, ein besseres Leben führen zu können.

Erst an zweiter Stelle sollte der überschüssige Strom als H2 nach Europa geleitet werden. So könnten die bereits bestehenden Ölleitungen zwischen den Kontinenten beispielsweise zum Übertragen von LOHC genutzt werden (LOHC: in Trägerflüssigkeit ungefährlich gebundener Wasserstoff H2). Erdgas-Pipelines eignen sich natürlich auch zum Transport von (Druck-)H2. Aus H2 lässt sich immer dann wieder Strom gewinnen, wenn er gebraucht wird: Das Spitzenlast-Problem wäre so quasi nebenbei gelöst.

(Autor: Zukunftsenergie-Team Gammel)

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