Wednesday 17. May 2017

Übertragungsnetze - Lizenz zum Geldverdienen statt Pflicht zum Regeln?

Deutschland war ab Ende der 1990er Jahre ganz vorn dran in der EU, seine Strom-Übertragungsnetze (ÜN) zu „privatisieren“. Sprich: Bund und Länder haben die zuvor von den Bürgern per Strompreis finanzierten Höchstspannungsleitungen an „Privatinvestoren“ verkauft, darunter das holländische Königshaus, belgische Kommunen oder die Ärzteversorgung Nordrhein-Westfalen.

Heute laufen die auf vier Regelzonen aufgeteilten ÜN unter den Konzern-Kunstnamen 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW. Einzig letzterer ÜN-Betreiber ist dabei dem Bundesland Baden-Württemberg zuzuordnen: Früher betrieb der Landeskonzern EnBW die Netze; nach zwischenzeitlichem Verkauf an französische Staatsfirmen holte die damalige CDU-Teufel-Landesregierung die Leitungen zu einem wesentlich teureren Preis wieder heim ins Ländle.

Doch egal ob Landesbesitz oder Teil-Eigentum einer Ärzte-Rentenversicherung: ÜN hierzulande sind so etwas wie Gelddruckmaschinen. Zwar „unterliegen deren Betreiber im Allgemeinen staatlicher Aufsicht“ der Bundesnetzagentur, denn „Übertragungsnetze stellen natürliche Monopole dar“, so Wikipedia. Doch diese Aufsicht gesteht den Konzernen Garantierenditen zu, die sich gewaschen haben. Auch wenn die bis vor kurzem über neun Prozent inzwischen um etwa einen Punkt abgesenkt wurden: Davon können Normalsparer bei Nullzinsanleihen nur träumen.

Doch was tun die vier Übertragungsnetz-Betreiber (ÜNB) eigentlich? Prinzipiell haben sie die Aufgabe, die Netze zu regeln. Heißt: Die ÜNB müssen laufend einen Ausgleich schaffen zwischen der Strommenge, die in die Leitungen eingespeist wird und dem gerade bestehenden Verbrauch.

Kann man ja wohl verlangen für knapp acht Prozent garantierte Eigenkapitalrendite, meinen Sie? Da machen Sie einen Denkfehler. Denn das Geld bekommen die vier ÜNB ohnehin, egal ob sie regeln müssen oder nicht. Die tun scheinbar viel lieber sogar etwas ganz anderes: Sie jammern. So zum Beispiel Tennet-Boss Urban Keussen dieser Tage öffentlichkeitswirksam via Handelsblatt: Die Kosten für diese Regelaufgaben („Notmaßnahmen“) seien „explodiert“, von 185 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 412 Millionen Euro ein Jahr später. Gut; Keussen gibt zu: „Die Verbraucher mussten die Kosten für diese Redispatch-Eingriffe über die Netzentgelte aufbringen“, seine Rendite wurde dadurch also nicht geschmälert. Doch um das zu verschleiern, greift er zu drastischen Worten: „Fluten die erneuerbaren Energien mal wieder das Netz, müssen im Gegenzug fossile Kraftwerke abgeschaltet werden. Herrscht in Deutschland Flaute, ist es umgekehrt: Der Wegfall des Windstroms muss durch Gas- und Kohlekraftwerke ausgeglichen werden. Nur so gelingt es Keussen und seinen Mitarbeitern, das Stromnetz vor dem Kollaps zu bewahren“, steht im Handelsblatt zu lesen.

Aber lieber ist dem Tennet-Mann wie den anderen ÜNB-Chefs sicherlich der per Gesetz geregelte Bau neuer Höchstspannungsleitungen: Denn die sichern hohe Renditen auf lange Sicht. Deshalb bauen die ÜNB lieber eine Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) zwischen zwei Endpunkten in Nord- und Süddeutschland mehr als weniger.

Aktuell ist das zu erleben in Bayern, wo die Energieministerin Ilse Aigner (CSU) vor zwei Jahren „Zwei minus X“ Trassen durch den Freistaat versprach. Die Variable „X“ könnte aber inzwischen „minus 1“ bedeuten, sprich drei statt zwei neuer HGÜ-Trassen. Wenn auch unter der Erde, also nicht mehr auf den ersten Blick sichtbar. Fast schon hilflos wirken da die vielerorts rührigen Leitungsbau-Protest-Initiativen. Die traten einst gegen die riesigen Leitungstrassen auf Masten an und protestieren heute gegen die unterirdischen HGÜ-Kabel. Ihr Ruf nach dezentraler Energieversorgung, durch die auf einen Großteil der neuen Nord-Süd-Leitungen verzichtet werden könnte, verhallt großteils.

Denn beim Verschleiern von Zuständigkeiten, Gewinnen und mehr statt weniger Leitungen scheint es, als zögen Politik, Aufsichtsbehörden und ÜNB an einem Strang. Die Kosten zahlt ja der normale Stromkunde. Und weil Lobbyisten immer wieder medienwirksam „hohe Zuschüsse für Sonnen- und Windstrom“ für die Preiserhöhungen verantwortlich machen, schimpft Otto Vierzimmermieter lieber auf die Ökostromer.

(Autor: Zukunftsenergie-Team Gammel)

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