Thursday 04. May 2017
Eine Energiemarktdesign-Studie verwundert: Wer zahlt, schafft hier nicht an...
In ihrer Studie „Die Energiewende braucht ein digitales Marktdesign“ fordert die Stiftung Neue Verantwortung e.V. (SNV) mit Sitz in Berlin unter anderem ein radikales Umdenken bei der Börsenpreisgestaltung für Strom. Wenn das mittelfristige Ziel „100 Prozent erneuerbare Energieversorgung für Deutschland“ keine platte Floskel bleibt, sondern Realität werden solle, dürfe es kein „Weiter so“ geben.
Vor allem den beim Strombörsenhandel maßgeblichen, so genannten Merit-Order-Effekt, kritisieren die Studienmacher. (Link: de.wikipedia.org/wiki/Merit-Order)
Zugegeben: Bekannt ist der Merit-Order-Effekt schon lange. Er bewirkt: Je mehr Erneuerbarer Wind- oder Sonnenstrom, umso billiger wird der Börsenpreis dafür, denn einmal errichtet, hat Ökostrom aus Sonne und Wind „Grenzkosten Null“. Doch den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB), die diesen eingespeisten Ökostrom dort an der Börse vermarkten müssen, kann das egal sein: Sie bekommen den Preis, den sie laut EEG an die Einspeiser bezahlen, ja durch die EEG-Umlage wieder zurück.
Gleichzeitig steigt bei mehr Ökostrom am Energiemix der Strompreis für Verbraucher massiv an: Vor allem die subventionieren den teils kostenlosen Börsenstrom mit immer weiter steigender EEG-Umlage, während viele Großstromabnehmer von dem Aufschlag befreit sind. Und außerdem können sich Großabnehmer an dem Börsenstrom bei „Grenzkosten Null“ laben, sprich: sie bekommen ihn quasi umsonst.
Bisher fordern vor allem Menschen aus der Regenerativ-Energie-Branche von Politik und „alter“ Energiewirtschaft eine Abkehr vom Merit-Order-System. Das wird zwar meist als Lobbyistenforderung abgetan. Doch Fakt ist: Wenn zu viel Strom im Netz ist, bestimmen die Übertragungsnetzbetreiber, ob beispielsweise Windstrom oder ein Atomkraftwerk heruntergeregelt wird. Erst dieser Tage lief deshalb das AKW Gundremmingen mit 50 Prozent Leistung durch, während Windräder stillgesetzt wurden.
Aber nun hat ausgerechnet die SNV dieselbe Forderung erhoben wie die Ökoenergieverbände: Weg mit Merit Order. „Eine effiziente zeitliche Allokation der Energiemengen ist nicht mehr möglich. Man muss also grundlegend über die Preisbildung im Zeitalter von (nahezu) grenzkostenfreier Erzeugung nachdenken.“ Genau so steht es in jener Studie, welche die „unabhängige Denkfabrik, die konkrete Ideen entwickelt, wie die deutsche Politik den technologischen Wandel in Gesellschaft, Wirtschaft und Staat gestalten kann“ dieser Tage veröffentlicht hat.
"Unabhängig" nennt sich die Stiftung, weil sie sich auf „eine Mischfinanzierung aus Stiftungen, öffentlichen Geldern und Unternehmen“ stützt. Doch allein die von RWE gegründete „Innogy Stiftung für Energie und Gesellschaft“ trägt fast ein Sechstel des veröffentlichten Jahresbudgets der Denkfabrik SNV. Und auch die Evonik Industries AG – früher Ruhrkohle - übernimmt einige Prozent der Kosten, neben der Bertelsmann Stiftung, dem Auswärtigen Amt oder Allianz SE; insgesamt sind es nach SNV-Angaben 33 „Förderer“.
Es scheint, als hätte die Stiftung Neue Verantwortung bei dieser Studie gegen das vermutet weit verbreitete Prinzip „Wer zahlt, schafft an“ verstoßen und tatsächlich eine unabhängige Analyse durchgeführt. Denn nicht Konzerne, sondern Verbraucher würden ja den Wegfall von Merit Order spüren: Der Strompreis für sie dürfte sinken.
Bleibt zu hoffen, dass auch die „Unterstützer“ der Denkfabrik von Innogy bis Evonik die Studie nicht ungelesen abheften, sondern deren Ergebnisse ernstnehmen.
Die Studie zum Herunterladen: www.stiftung-nv.de/sites/default/files/digitales.marktdesign.pdf
(Autor: Zukunftsenergie-Team Gammel)