Thursday 05. April 2018
Auf der Suche nach einer Begründung: Kommt die Atomkraftrückkehr?
Werden fehlende Übertragungstrassen als Alibi für Atom-Verlängerung rausgekramt? Zuletzt tat es Tarek Al-Wazir: Er brachte einen Weiterbetrieb deutscher Atomkraftwerke ins Gespräch, also über den „endgültigen“ Ausstiegstermin 2022 hinaus. Auch wenn der hessische Grüne Wirtschaftsminister für diesen möglichen Wieder-Wieder-Wieder-…-Wiedereinstieg offiziell „die CSU in Bayern“ verantwortlich machen will: Damit wird grundsätzlich klar, dass sich nicht nur die hiesige Politik parteiübergreifend mit einem solchen Szenario zumindest befasst.
Dazu kommt: Immerhin haben die Bayern-Grünen nicht ausgeschlossen, ab Herbst zusammen mit genau jener CSU den weißblauen Freistaat zu regieren. Möglicherweise auch deshalb war von dieser politischen Seite des Landtags zumindest öffentlich nichts zu Al-Wazirs CSU-Kritik zu hören. Denn die war schon heftig. Weil heute schon klar sei, dass die Hochspannungs-Gleichstromleitung (HGÜ) Südlink im Jahr 2022 nicht fertig sei, würden sich die Christsozialen bald „hinstellen und erklären: Damit in den Fabriken von BMW und Siemens nicht die Lichter ausgehen, müssen wir die Atomkraftwerke länger laufen lassen“, zitieren mehrere Zeitungen den Grünen. Al-Wazirs Nachsatz „das kann nicht sein“, geht dabei fast unter.
Aber nicht nur Südlink: Bei der zweiten im Bundesnetzplan ganz oben stehenden HGÜ-Leitung Südostlink schaut es ebenfalls so aus, als würde die Umsetzung nicht bis zum Atomende 2022 klappen. Wenn denn die Leitungen überhaupt kommen. Denn allüberall sind Trassengegner nicht nur mit Transparenten, sondern auch mit Argumenten, Gegengutachten oder Einwendungen am Werk, die Pläne zu stoppen. Dagegen helfen auch kein Netzausbaubeschleunigungsgesetz NABEG oder ein offiziell existierender „Bürgerdialog Stromnetz“. Zumal der auf genaue Fragen aus der Bevölkerung meist nur mit Standardphrasen antwortet.
Von politisch gewolltem Ausbau dezentraler Stromgewinnung durch Photovoltaik und Windkraft auch in Bayern, von Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung, dazu großen Biogas- oder „Power-to-Gas“-Speichern zur Überbrückung von Witterungsflauten, ist hierzulande nichts (mehr) zu spüren. Stattdessen beharrt die führende Politik – egal ob CDU, CSU, SPD, aber auch die Bayern-Grünen - auf von Konzernen finanzierten Wind-Großprojekten in Nord- und Ostsee. Deren teurer Strom soll durch neue Leitungen, die das Ganze nochmals verteuern, nach Süden geleitet werden. Dass gerade die Kohlekraftwerke in Ostdeutschland auch diese Netze füllen werden, wird tunlichst übersehen.
Müssen fehlende Leitungstrassen von Nord nach Süd also herhalten, damit historische Kernkraft-Ausbau-Phantasien fröhliche Urständ erleben? Man könnte den Eindruck gewinnen, als wäre die 2011 von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Fukushima-Desaster ausgerufene „Energiewende“, die tatsächlich nur ein Abschaltprogramm für deutsche Kernkraftwerke war, bewusst boykottiert worden. In der letzten GroKo hat ein Pseudo-Grüner Energiestaatssekretär namens Rainer Baake da gute Arbeit geleistet. Der ist kürzlich aus der Regierung geflüchtet.
Können nun ein paar Hinterbänkler der CDU/CSU-Fraktion das konterrevolutionäre Gegen-Energiewende-Werk zum „Erfolg“ führen? Denn gerade von dieser politischen Seite war schon in der letzten GroKo-Periode immer wieder gegen dezentrale, natürliche Stromerzeugung an den Verbrauchsschwerpunkten gewettert worden. Obwohl die schneller und gesamtwirtschaftlich kostengünstiger auf die Beine – respektive in Gewerbegebiete, Wälder oder auf Dächer – gestellt werden könnte. Das hat erst vor wenigen Tagen eine neue Studie des Fraunhofer-Instituts abermals bewiesen.
Aber offensichtlich haben die Ewig-Gestrigen in unserer Politik weiterhin das Sagen – und die können oder wollen solche Fakten nicht wahrhaben. Aber wie bekommen wir frischen Wind und eine klare Zukunftslinie in die Politik? Da sind viele Entscheider in der Wirtschaft und der Menschen in diesem unserem Land schon weiter. Laut Statista (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/196207/umfrage/meinung-zum-gebrauch-von-atomenergie-in-deutschland/) sind 2018 76 Prozent der Befragten jedenfalls „eher“ bis „voll und ganz gegen den Gebrauch von Atomenergie“ – und nur fünf Prozent „ganz und gar dafür“. Die Energiewende ist nicht aufzuhalten, sie kommt sicher – die in die Zukunft denkende Bevölkerung ist der Treiber.
Link zur Fraunhofer-Studie zu Dezentralität:
(Autor: Zukunftsenergie-Team Gammel)